
Julia Peglow über das Notizbuch als Denkraum im Digitalzeitalter
Unsere Freundin Julia Peglow hat ein Buch geschrieben: „Wir Internetkinder“ heißt es. Wir sind Fans – und zwar nicht nur weil nuuna darin vorkommt!
Das Internet – wahrgewordene Utopie allumfassender Demokratisierung, Vernetzung und Kommunikation? Die Diagnose von Julia Peglow ist nicht ganz so euphorisch: Dient das Internet uns oder wir dem Internet lautet einer der beunruhigenden und zugleich berechtigten Fragen ihres neuesten Buches. Haben wir etwa die Kontrolle verloren? Und wenn ja, wie holen wir sie uns wieder zurück?
Julia Peglow ist Autorin und Hochschuldozentin und hat zwei Jahrzehnte in der Kreativ- und Digitalbranche als Strategische Beraterin und Geschäftsführerin für internationale Branding- und UX-Agenturen gearbeitet. Sie versteht sich als Chronistin des Digitalzeitalters und reflektiert den Status unserer digitalen Welt auf ihrem philosophischen Blog „diary of the digital age“.

Ausgangspunkt ihres Buches „Wir Internetkinder“ sind nicht die Digital Natives, sondern die Generation derjenigen, die noch analog aufgewachsen sind, bevor sie schließlich den digitalen Vormarsch selbst mitgeprägt haben – die Internetpioniere quasi. Davon ausgehend fragt Julia Peglow nach den Anfängen und der Entdeckung des virtuellen Raums, nach dem Einfluss der Digitalisierung auf die Arbeitswelt und nach dem aktuellen Potential zur Veränderung unserer Denk- und Handlungsmodelle. Dabei diagnostiziert Peglow einen Spalt zwischen zwei Wirklichkeitsebenen, der echten Welt und der digitalen Welt, die sich wie ein Bruch durch unsere Gesellschaft und unser Erleben zieht. Hierbei kommen auch ganz aktuelle Beobachtungen zur Verschiebung des sozialen Raums in die digitale Sphäre während der Corona-Lockdowns zur Sprache.
Theoretische Passagen wechseln sich dabei mit Tagebucheinträgen ab, Komplexes steht neben Anekdotischem – eine abwechslungsreiche Lektüre. Man guckt der Autorin förmlich beim Nachdenken zu.
Besonders aufgehorcht haben wir bei den Stellen, wo Peglow über ihre eigene Denk- und Arbeitsroutine schreibt: Diese changiert zwischen dem Nach-Außen-Treten in ihrem öffentlichen Blog, dem Teilhaben an der Welt und dem Sich-Zurückziehen vom digitalen Sturm, einem Ort nur für sie allein: ihren Notizbüchern. Gerade diesen analogen Tools kommt in der Überfrachtung und Vereinnahmung durch die digitale Welt eine besondere Rolle zu: der eines privaten Raums zum Denken. Genau hier holen wir uns die Kontrolle über unsere eigenen Gedanken zurück.

Dass Peglow in diesem Zusammenhang auch über unsere Notizbücher schreibt, freut uns natürlich besonders:
„Dann bleibt mein Blick an einem Regal hängen, in dem Notizbücher stehen. Darauf ein kleiner Name: nuuna. (…) Ich nehme eines aus dem Regal. Es ist ein großes, schwarzes Hardcover mit dickem Buchrücken. Es liegt schwer in der Hand. Ich klappe das Notizbuch auf – es ist, als ob ich eine Tür öffne. Vor mir: weiße Seiten. Ein Weg, der sich mir auftut. (…) Ein leeres Buch. In einer Welt voll vorgefertigter Antworten ist ein leeres Notizbuch für jemanden, der seinen Weg finden will, das Gegenteil eines Buchs. Es ist nicht die Antwort. Es ist die Frage. Es ist der leere Raum, der mit eigenen Gedanken und der eigenen Identität gefüllt werden kann, mit dem selbstbestimmten Narrativ des eigenen Lebens. Ich habe ihn gefunden. Den Raum zum Denken.“
Das Buch ist übrigens ein absoluter Hingucker. Gestaltet von Katrin Schacke mit lila Buchschnitt, silbernem Vor- und Nachsatz und Metallicprägung auf dem Cover. Herausgegeben von unseren Freunden vom Verlag Hermann Schmidt. Bravo!